Als meine Familie und ich noch mit dem Auto in den Urlaub an die obere Adria fuhren, ging es - sagen wir es mal so - eher leistungs- und geschwindigkeitsoptimiert zu: Start so um sieben in der Früh' in München Nord; bis zur Grenze Strecke machen, mit Marschtempo 175 plus. Wie jetzt? Aufs Klo? Schon in Holzkirchen? Dann aber fix! Auf dem Brenner 130 "plus Mehrwertsteuer", macht knappe 150, vorsichtshalber mit Tempomat. Dann – der übliche Stau vor dem Mauthäusl. Macht nix, fahre ich locker wieder 'rein! Gegen 14:00 Cappuccino auf der Terrasse des "Hotel Elite". Der "dicke Waldemar" - wie damals unser SUV hieß - hatte auf dem Hotelparkplatz noch genug Diesel für den halben Heimweg im Tank.
Die Reichweite eines E-Autos ist im Spitzensegment kein Thema mehr
Wer mindestens 75.000 Euro für ein Tesla Model S 75D übrig hat, schafft die 550 km über die Tauern-Route heute wahrscheinlich genauso schnell. Mehr als ein Ladestopp wird wohl kaum erforderlich sein, auch wenn man mal, nur so zur Gaudi, ein paar Benzinschluckern den nicht vorhandenen Auspuff zeigt. Und während der Wagen für 20 Minuten am Supercharger hängt, können die Kinder sich mal eben auf dem Rasthof-Spielplatz austoben.
Für das Gros der Elektroautos aber gelten andere Regeln. Viele Stromer sind in erster Linie für den täglichen Gebrauch optimiert, und hier sind die Fahrtstrecken kleiner als so mancher denkt. Reichweiten um die 200 km sind aktuell Standard - und für den Alltagsbetrieb mehr als ausreichend. Höhere Batteriekapazitäten schaden nicht nur dem Geldbeutel, sondern auch der Umwelt, weil die Akkuproduktion sehr viel Energie und Rohstoffe beansprucht. Hinzu kommt: Wer mit Kind und Kegel unterwegs ist, geht in puncto Reichweite lieber auf Nummer sicher und behält sich ausreichende Reserven vor.
Auf der real existierenden Urlaubsfahrt in den sonnigen Süden schrumpft also schnell die Reichweite auf realistische 120 km. Damit wird klar: Wie angenehm - oder nervig - der Trip wird, hängt ganz wesentlich von der Planung ab. Hier gibt es unzählige Apps oder Verzeichnisse von e-Tankstellen im Internet, die für die Planung verwendet werden können.
Es zeigt sich schnell, ob das angestrebte Ziel überhaupt sinnvoll mit einem Elektroauto erreichbar ist. Bei den gängigen Urlaubsregionen stellt das eigentlich kein Problem mehr da.
Die Planung der Urlaubsfahrt: der Weg ist das Ziel!
Aber auch wenn genügend Ladesäulen entlang der Route vorhanden sind, bleibt die Reichweitenplanung ein nicht ganz triviales Rechenexempel. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man mit 30 km theoretischer Restreichweite in einen Ballungszentrum oder auf weiter Flur sein voläufiges Ziel erreicht hat. Es muss ja auch immer vorausschauend das anschließende Weiterkommen möglich sein. Auch ist die Reichweite des Elektrofahrzeugs stark von dem Höhenprofil der Strecke und dem Verkehrsfluss abhängig, denn Elektroautos können durch die so genannte Rekuperation beim Bremsen und abwärts Fahren Strom zurückspeisen, so dass der Akku auch immer wieder ein Stück geladen wird und sich dadurch die Reichweite neu berechnet. Eine intelligente Routenplanungssoftware berechnet deshalb schon im voraus, anhand der Routenwahl, unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren, ob z.B. für die Fahrt nach Lido di Jesolo vier oder auch fünf Tankstopps nötig sind. Wobei bei einer Alpenquerung mit langen bergauf Passagen hoffentlich die Reichweite auch etwas konservativer berechnet wird. Aber auch hier bleibt man nicht gleich liegen, denn sollte es dann doch nicht bis zur Gipfelüberquerung reichen, wird halt nochmals gewendet, beim bergabfahren rekuperiert und vor dem nächsten Anlauf nochmals nachgeladen.
Ähnliches gilt für die beliebten Campingplätze im nahen Cavallino. Auch hier lässt sich natürlich der Faktor Ladezeit optimieren, indem die Schnellladestationen gezielt angesteuert werden - sofern sie an der richtigen Stelle parat stehen und von der Fahrzeugtechnik unterstützt werden.
Insgesamt - so besagt es die Faustformel - muss in der Regel für denselben Weg per Elektroauto mehr Zeit eingeplant werden, als mit der traditionellen Otto-Normal-Motorisierung. Nun, aber auch der Weg kan das Ziel sein und so mancher Halt eine willkommene Pause auf der sonst eher eintönigen Fahrt.
Doch auch dieser sollte gut geplant sein, denn ein notwendiger Zwei-Stunden-Ladestopp auf einem tristen Autohof im Industriegebiet ist nicht etwas anderes als die gleiche Zeit mit einem Picknick im Grünen zu verbringen. Die e-Tank-Pause sollte also tunlichst nicht immer nur dort eingeplant werden, wo der Akku voraussichtlich schlapp macht, sondern wo es etwas zu sehen, zu entdecken oder zu genießen gibt - auch auf die Gefahr hin, dass es dann insgesamt mehr Stopps werden.
Die Haltepunkte: Die Umgebung der Stromtankstelle zählt
Es lohnt sich, die angepeilte Ladestation nicht nur im Hinblick auf Kapazität und Steckertyp auszuwählen, sondern auch hinsichtlich ihrer Umgebung und ihres Freizeitwerts. Und das ist - soziale Netzwerke, Internet, Google Earth und Street View sei Dank - heute einfacher als man denkt.
Und die Interessenlage der Mitreisenden sollten ja bekannt sein:
- Der Dreikäsehoch freut sich, wenn ein Bach in der Nähe ist, in dem ein Staudamm gebaut werden kann, so lange der Akku geladen wird.
- Ist ein kleiner Vergnügungspark oder eine Kart-Bahn im Gehbereich, kann der Ladestopp auch aus der Sicht eines Teenagers ruhig etwas länger dauern.
- Ein schönes Mittagessen in einem guten Ausflugslokal freut alle; ist man mit der frisch Angetrauten alleine unterwegs, darf es dabei auch gerne etwas gediegener zugehen.
- Liegt auf der Strecke ein historisch interessantes Dorf? Während des Ladens ist Zeit für eine Besichtigung.
- Gibt es einen Foto-Hotspot im Umkreis? Das Gruppenbild oder Selfie fürs Urlaubsalbum ist auf jeden Fall eine sinnvollere Beschäftigung als das gemeinsame Hypnotisieren der Ladezustandsanzeige.
Die Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen, allenfalls begrenzt durch die eigene Kreativität. Ob der Ladestopp ein Zeitfresser ist, oder eher Raum schafft, für Neues, ist eine Frage der Sichtweise. Und wer eine wirklich schöne Strecke ausfindig und erfolgreich getestet hat, sollte das Licht seiner Erkenntnis nicht unter den Scheffel stellen, sondern auf sozialen Netzwerken teilen. Damit tut er der Ausweitung der Elektromobilität sicher einen größeren Gefallen also so manche Werbekampagne.
Das Ergebnis: Mit dem Elektroauto entspannter in den Urlaub reisen
Wer elektrisch und mit relativ geringem Aktionsradius unterwegs ist, kann natürlich immerfort abwechselnd auf die Uhr und auf die Reichweitenanzeige starren - und sich abwechselnd ängstigen und ärgern. Er kann aber auch seine Route als Erlebnis gestalten. Er kann Orte entdecken, an denen er sonst immer mit Bleifuß vorbeigerauscht ist. Wer die Route in kleinen, interessanten Strecken plant, braucht vielleicht sogar einen Tag länger für die Anreise - er sieht, hört, riecht, fühlt und schmeckt aber auch mehr als immer nur Auto von innen.
Merke: Man ist im Urlaub - und nicht auf der Flucht.
In den USA, wo man mit etwa 60 Meilen pro Stunde unterwegs ist, gibt es den Ausdruck cruising, was so viel heißt wie: ein Gebiet bereisen, oder herumreisen. Cruisen, wie die Deutschen sagen, statt rasen, Entschleunigung statt Reichweitenpoker, das sollte die Devise sein, wenn der Urlaub nicht trotz, sondern gerade wegen des Elektroautos zum Erlebnis werden soll.
Dass der Urlaub mit dem Elektroauto ein klein wenig anders abläuft, haben Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch verschiedenste Event- und Tourismusanbieter durchaus erkannt. Neue Ladesäulen locken die e-Touristen auch auf Locations ein wenig abseits der High-Speed-Durchmarschrouten. Hier lädt man gut - und günstig, denn der Anbieter nutzt seine Station eher als Lockmittel denn mit Gewinnerzielungsabsicht.
Und so kann man die Frage: Ist ein Elektroauto das richtige Gefährt für den Urlaubstrip? Wohl getrost mit „JA!“ beantworten. Wer über ein reichweitenstarkes Modell der neuesten Generation verfügt, braucht sich im Vergleich zum Benzin- oder Dieselfahrzeug ohnehin kaum noch umzustellen. Für allen anderen gilt: Ob der Urlaub mit dem Elektroauto ein Erfolg wird, hängt ganz wesentlich von der Kreativität bei der Routenplanung ab. Hier muss man sich genauer umsehen - und entdeckt dabei vielleicht eine entschleunigte Art des Urlaubs, die man nicht mehr missen möchte, auch mit Tesla oder Ampera.
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